Donnerstag, 1. Juni 2023 – Festivaleröffnung
Nicht ohne Stolz eröffnete am Donnerstagabend Jürgen Larys als Vorsitzender des Fördervereins Theater Lünen e.V. das 15. Festival Junges Theater Lünen.
Die Moderation lag in den Händen der beiden Organisatoren Susanne Hocke und Jan N. Schmitt. Der Beigeordnete und Kulturdezernent Dr. Christian Klicki sprach ein engagiertes Grußwort und nannte Theater eine unabdingbare Voraussetzung für eine wehrhafte Demokratie. Für das hochrangige Rahmenprogramm sorgte ausdrucksstark der Pianist Luca Aaron Vazgec, langjähriger Schüler und Stipendiat der Lüner Musikschule.
Roter Faden – Theatersteinis Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Lünen
Unter der schützenden Hand von Julia Hormann, die als sprechender Baum für manchen Lacher sorgte, eröffneten Jolande Fleischmann, Felix Scholtissek, Amelie Budde, Paula Hees, Emily Platte und ihre talentierten Mitschülerinnen und Mitschüler mit einer Komödie das Festival, die gekonnt mit den Mitteln des „Theaters auf dem Theater“ spielte. Schnell wurde klar, dass wir uns auf einer wundersamen Probe der Theatersteinis befinden, in der ein Roter Faden abhanden zu kommen droht und der nackte Wahnsinn um sich greift. Eine lustvolle Hommage an die Kraft des Theaters als Ort des zweckfreien Vergnügens, die das zahlreich erschienene Publikum mit viel Lob und stehenden Ovationen honorierte.
Freitag, 2. Juni 2023 – Romeo und Julia: Streetwars – Theaterzwerge des Städtischen Gymnasiums Lünen-Altlünen
Überragend gut besucht war auch „Romeo und Julia: Streetwars“, mit dem die Theaterzwerge des Städtischen Gymnasium Lünen-Altlünen den zweiten Festivaltag eröffneten. Wie in Shakespeares berühmter Liebestragödie entbrennt hier ein Kampf zweier verfeindeter Banden, der zunächst über Rap-Battles, also über Sprache ausgetragen wird, um dann doch blutig und tödlich zu eskalieren. Schließlich wirft sich Julia schützend vor ihren der anderen Gruppe zugehörigen Geliebten Romeo und wird erstochen. Versöhnung aber steht am Ende der Geschichte, die Inspektor Shakespeare durch Verhöre mit den Hauptfiguren in der Rückschau entwickelt. Eine farbige, rhythmische, mit choreographischen Elementen durchzogene Aufführung unter der Leitung von Alexander Lux, die mit großem Jubel aufgenommen wurde.
Zwischen Realität und Verwandlung – Kurs Darstellen und Gestalten Jg. 9 – Käthe-Kollwitz-Gesamtschule Lünen
Der Kurs Darstellen und Gestalten der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule unter der engagierten Leitung von Michela Piacentini und Katharina Schatschneider besticht immer wieder durch starke ästhetische Setzungen und inhaltlichen und sprachlichen Tiefgang. In Zwischen Realität und Verwandlung führt das Nachdenken über Saint-Exupérys Der kleine Prinz zu einer szenischen Auseinandersetzung über den zweifelhaften Begriff der Realität und über die vielen Formen der Verwandlung, die freiwilligen und unfreiwilligen, die von innen und von außen hervorgerufenen. Fast beklemmend dann die Sequenz, die sich mit der Zeit auseinandersetzt, von der im modernen Leben fast nur noch übrigbleibt: „Keine Zeit.“ Eine mit choreographischen, musikalischen, szenischen und sprachlichen Elementen in einer überaus gelungenen Lichtregie reich durchgestaltete Aufführung, die die Zuschauer spürbar bewegte, und die diese mit großem Lob bedachten.
Poetry Slam – Projektkurs Kreatives Schreiben der Geschwister-Scholl-Gesamtschule Lünen
Sehr berührend waren die drei ausgewählten Texte des Projektkurses Kreatives Schreiben der Geschwister-Scholl-Gesamtschule Lünen, die am Freitagnachmittag den inzwischen schon traditionellen Poetry Slam des Festivals im Oberen Foyer des Heinz-Hilpert-Theaters bestritten. Bei aller Unterschiedlichkeit ging es in den drei Texten zu den Themen Familie, Alltagsrassismus und Winter doch um ein zentrales Thema: Um die schmerzliche Isolation des Einzelnen – und um den geglückten Versuch, diesem Schmerz durch kreatives Schreiben einen Ausdruck zu verleihen. Ein sehr mutiger Vortrag dreier junger Frauen, der Lust macht auf mehr von diesen jungen Autorinnen und mehr an diesem Ort.
Terror – Literaturkurs der Geschwister-Scholl-Gesamtschule Lünen
Terror beschreibt anhand einer fiktiven Gerichtsverhandlung, in der die Zuschauer als Schöffen agieren, ein klassisches Dilemma. Ein Pilot der Bundeswehr schießt ein mit 164 Passagieren besetztes, von Terroristen gekapertes Linienflugzeug ab, kurz bevor es als tödliche Waffe in das fast voll besetzte Dortmunder Westfalenstadion einschlägt. 164 Menschenleben gegen 70.000 – eine Abwägung, die ein Urteil des Bundesgerichtshofes prinzipiell verbietet, die der Pilot jedoch trotzdem vornimmt und für die sich auch die Mehrheit der im Anschluss heftig diskutierenden Besucher im Heinz-Hilpert-Theater entschied. Dem Literaturkurs der Geschwister-Scholl-Gesamtschule Lünen unter der Leitung von Tanja Ansari und Lea Thiemann kommt das Verdienst zu, präzise in Gedanken, Sprache und Gestaltung einen Stoff auf die Festival-Bühne gebracht zu haben, der über den im Stück geschilderten Einzelfall weit hinaus geht, betrifft doch die Frage nach Eingreifen oder Nicht-Eingreifen auch die aktuellen Diskussionen um den Ukraine-Krieg und die ökologische Verantwortung für den Planeten.
Montag, 5. Juni 2023 – Zurückgespult – Was wäre, wenn? – Die Szenenzeiger – Schule im Heithof Hamm
Im Rahmen eines Strafprozesses spielt auch das über ein festgelegtes Handlungsgerüst frei improvisierte Zurückgespult – Was wäre, wenn? der Szenenzeiger der Schule im Heithof Hamm, das am Montag die zweite Festivalwoche eröffnete. Bekanntlich wird ja nirgendwo so viel gelogen wie vor Gericht. Aber was ist die Wahrheit? Soviel steht fest: Zwei junge Täterinnen wurden um 2500€ erpresst und verschafften sich dieses Geld. Aber bekamen sie es durch Einbruch in das Haus einer reichen Dame und schlugen diese nieder, als sie versuchte die Polizei zu holen? Oder resultierte die Verletzung der Dame aus einem selbstverschuldeten Sturz, nachdem sie den jungen Angeklagten das Geld freiwillig gegeben hatte? Und welche Rolle spielt der mysteriöse Gärtner, der ja allein durch seine Profession schon verdächtig scheint? Eine durch viel Spielwitz und Spielfreude geprägte Aufführung unter der Leitung von Jan-Peter Lüffe und Julia Haase, die vergnüglich die Frage nach den vielen Versionen der Wahrheit stellt und wie schwierig es ist, diese dingfest zu machen.
Schneewittchen und der Schönheitswahn – Kurs DG Jg. 9 Marga-Spiegel-Sekundarschule Werne
Nichts passt wohl besser zur Selbstoptimierungsbesessenheit unserer Zeit als das berühmte Spieglein, Spieglein an der Wand… des hier als Vorlage dienenden Grimmschen Märchens. In Schneewittchen und der Schönheitswahn kämpft eine äußerlich perfektionistische Stiefmutter mit den eigenen Ansprüchen und gegen ihre heranwachsende Ziehtochter. Kosmetische Chirurgie, Beauty-Tipps, Frauenzeitschriften und Diäten – alles wird in dieser fulminanten Aufführung des Kurses Darstellen und Gestalten der Jahrgangsstufe 9 der Marga-Spiegel-Sekundarschule Werne unter Leitung von Susanne Fuhrmann und Juliane Vaupel vergnüglich durch den Kakao gezogen. Schneewittchen aber entscheidet sich am Ende gegen den per E-Roller herbeigeeilten Prinzen und bleibt bei den etwas verpeilten sieben Zwergen, denn, so sagte es die Darstellerin der Titelrolle in der anschließenden Diskussion vor einem begeisterten Publikum: Wahre Schönheit kommt von innen.
Talis, das schwarze Ich – Literaturkurs der Q1 Gymnasium Bergkamen
Abgründig wurde es am dritten Festivalabend. Der Literaturkurs der Q1 des Gymnasiums Bergkamen hatte unter der präzisen Leitung von Peter Manteufel Talis, das schwarze Ich sorgfältig ausgewählt und eindringlich einstudiert. In diesem Stück, bei dessen Darbietung man eine Stecknadel hätte fallen hören können, gibt Nathanael sich die Schuld am frühen Unfalltod seiner Eltern, wächst in einem Heim auf und wird dort wie auch in der Schule gemobbt. Finstere Gedanken breiten sich in seinem Kopf aus, dargestellt von in Ganzkörperanzüge getauchten gesichtslosen Figuren, deren schwarzer König Talis ist, das andere Ich Nathanaels. Nathanael fängt an, sich selbst zu verletzen und steht schließlich am Rande des Selbstmords. Erst auf einem langen Weg durch therapeutische Einrichtungen gelingt es ihm, seine negativen Gedanken zu besiegen und sich selbst durch einen abermaligen Schicksalsschlag nicht beirren zu lassen. Eine starke Aufführung einer bemerkenswerten Gruppe junger Menschen, die sich und uns viel zugemutet haben, mit großem Gewinn.
Dienstag, 6. Juni 2023 – Out of Time – Time signature Gymnasium Selm
Bei Out of Time erhielten wir unvermutet Besuch aus der Zukunft. Vier ganz in Silber gekleidete junge Damen standen dem Publikum unvermittelt gegenüber und wunderten sich über uns technologisch völlig rückständige Zeitgenossen. Erst am Schluss werden die vier als Patientinnen einer psychiatrischen Einrichtung enttarnt. Dazwischen lagen viele Szenen, in denen das Ensemble Time signature des Gymnasium Selms unter der Leitung von Natalie Stefanski und Bianca Elting mit Musiktiteln, Choreographien und Videos über die vielen Ebenen der Zeit szenisch nachdachte. Eine Empfehlung gaben uns die jungen Akteurinnen und Akteure mit auf den Weg: Mehr den Moment schätzen zu lernen. Die zahlreich auch aus Werne angereisten Zuschauer dankten es ihnen mit warmem Applaus.
Wa(h)re Freundschaft – Theater-Jugendclub des Fördervereins Theater Lünen e. V.
Um Wa(h)re Freundschaft ging es im diesjährigen Beitrag des Theater-Jugendclubs Lünen unter der Leitung von Stefan Salzmann und Carina Schöne-Warnefeld. In einem durch choreographische Elementen und klug ausgewählte Musik klar strukturierten Reigen selbstgeschriebener Szenen über Mobbing, Hochzeit, Trauerfeiern, lesbische Paare, Liebe und Hass zeigten die engagierten Darstellerinnen die vielen Facetten der Freundschaft, die in einer immer oberflächlicher werdenden Zeit schnell zur Ware zu verkommen droht. Ein immer wieder auch sehr persönlicher Abend, der ungewöhnliche Blickwinkel auf ein schmerzlich bekanntes Phänomen eröffnete. Die entscheidenden Sätze aber wurden am Ende von mit kleinen Textkärtchen vorbereiteten Zuschauerinnen und Zuschauern aus dem Saal gesprochen, die eine klare Botschaft übermittelten: Wahre Freundschaft wird nur der geschenkt, die bereit ist, selbst etwas zu geben.
Mittwoch, 7. Juni 2023 – Festivalabschluss
Die Festivalorganisatoren Susanne Hocke und Jan N. Schmitt bedankten sich in ihrer Abschlussmoderation bei den teilnehmenden Gruppen und den vielen Helferinnen und Helfern vor und hinter der Bühne. In seiner Abschlussrede lobte der Vorsitzende des Fördervereins Theater Lünen e.V. das hohe Niveau des diesjährigen Festivals, dankte den Unterstützern und betonte die Wichtigkeit des Theaters und der Kultur insgesamt in einer Stadt, die gerade wieder einer Spardiskussion entgegenblickt. Barbara Kastner, Leiterin des Kulturbüros Lünen freute sich als Kooperationspartnerin, das Festival im Haus zu haben, und blickte auf eigene Theatererfahrungen als Schülerin zurück.
Der Kurs Darstellen und Gestalten – Jg. 7, Käthe-Kollwitz-Gesamtschule Lünen unter der Leitung von Susanne Linn würzte die Abschlussveranstaltung mit einer sehr gelungenen vielfältigen choreographischen Performance.
Das Ensemble „Jukebox“ der Musikschule Lünen sorgte mir rockigen Songs beschwingt und gekonnt für die musikalische Gestaltung des Abends.
Im Schatten der Symbole – Literaturkurs der Q1 Gymnasium Lünen-Altlünen
Das Abschlussstück fasste viele Themen des Festivals noch einmal zusammen: Kriminalität, deren Aufklärung – und die dunklen Abgründe der Seele. In einer Stadt findet eine merkwürdige Serie von Morden statt, die so gar nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Bis die Spur in die örtliche Psychiatrie führt und zu einem Computernerd, der gerade eine neue schädliche Software ausprobiert. So lösen sich die vielen Stränge der komplexen Handlung, bis das Publikum entscheidet, wie die Geschichte enden soll: Mit dem beherzten Einsatz eines Sondereinsatzkommandos der Polizei, der aber leider nicht von Erfolg gekrönt ist. Unter der Leitung von Sonja Alsleben sorgte der Literaturkurs der Q1 des Gymnasiums Lünen-Altlünen für einen lebhaften Abschluss des Festivals unter dem Beifall des zahlreich erschienenen Publikums.